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Im Interview mit Synapticon - Robotic-Motion-Control aus Stuttgart

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von Laura Galpin
am 30.04.2020


Im vierten Teil unserer Interview-Serie, in der wir unsere Beteiligungen vorstellen, haben wir mit Synapticon Gründer & CEO Nik gesprochen. Erfahrt mehr über die Visionen und Ziele des innovativen Robotic-Start-ups.

Wie wir Synapticon wurden

Synapticon gibt es, weil …

... vor rund zehn Jahren drei Freunde die Vision hatten, mit einer besonders leistungsfähigen und innovativen Hard- und Softwareplattform in der Welt von Robotik und Automation die Entwicklung zu vereinfachen und progressive Endprodukte (also Roboter) zu ermöglichen.

Unsere größte Herausforderung war…

... es das, was wir da machten, der „Außenwelt“ zu erklären, also allen die eben nicht direkt potentielle Anwender unserer Technologie sind – inklusive den Investoren, die vor 2012 fast flächendeckend nichts mit Robotik anzufangen wussten. Das änderte sich erst 3-4 Jahre später, als Robotik zusammen mit IoT und AI zum heißen Thema wurde.

Die einflussreichste Person für unser Unternehmen war/ist

... the Traitorious Eight. [Die acht Ingenieure, die nach ihrem Abgang bei Shockley Labs zusammen Fairchild Semiconductor gründeten und eine unternehmerische und technologische Kettenreaktion verursachten (die nächste Perlmutation war Intel), die der Ursprung der exponentiellen technologischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist.] Dieser ermöglichende Hebel, den die Kollegen damals ansetzten, war immer schon unser Vorbild und Antrieb.

Drei Tipps, die wir gerne vorher gewusst hätten...

1. ...Wie wichtig es ist, sich zu fokussieren.

2. ...Wie riskant es ist, zu früh in jeglicher Form zu skalieren – und wie schwer es ist zu erkennen, dass es noch zu früh ist.

3. ...Wie schwer es ist, am Standort Deutschland große Ideen zu verwirklichen.

Wer wir heute sind

Wie hast Du Dich gefühlt, als zum ersten Mal alles funktioniert hat?

Nun, die Frage ist jetzt, was man unter „alles funktioniert hat“ versteht. 😊 Mit jedem erreichten Ziel (und davon gibt es viele, große und kleine) wachsen die Ambitionen und man vergisst schnell, was man schon erreicht hat. Internationale Kunden von Weltrang mit spannenden Endprodukten, Niederlassungen in den USA und China, die Unterstützung von beeindruckenden Investoren(-persönlichkeiten) und Beiratsmitgliedern und immer wieder technologische Innovationen, die uns Alleinstellungsmerkmale geben, sind da nur einige Beispiele. Dabei fällt mir ein - wir hatten zwei große Pivots in der Geschichte von Synapticon und es waren eigentlich diese Momente, die im positiven Sinne am aufregendsten waren. Das waren solche Momente in denen wir nach einiger Zeit wachsender Erkenntnis wahrnehmen mussten, dass der eingeschlagene Weg nicht ganz ideal funktioniert hatte und wir aber genau dann einen neuen Weg identifizieren und qualifizieren konnten, der noch erfolgsversprechender war. Genau in solchen Momenten haben wir das riesen Potenzial von mehr oder weniger veränderten Ansätzen wahrgenommen, die uns dabei helfen, unsere eigene Unternehmensmission zu erfüllen – und das ist ein tolles Gefühl. Die Begründung unserer Chip-Produkte und auch die Konzentration auf das Thema Motion Control haben wir als solchen Moment wahrgenommen.

Wie würdet ihr die Entwicklungen in der Robotik beschreiben?

Eine schwierige Frage, da dies auch stark davon abhängt, von welcher Region und welcher Art von Robotik man spricht. Sicherlich ist beispielsweise in Europa oder Japan die klassische Industrierobotik komplett etabliert und die Zahl der installierten Systeme ist gemessen an der Größe des Wirtschaftsraums bereits hoch. Dennoch gab es auch hier starkes Wachstum in den letzten zehn Jahren, gegenüber den zehn davor und ein Ende ist nicht in Sicht. Allerdings kommen hier vor allem Technologien zum Einsatz, deren Basis man mit gutem Gewissen als „alt“ bezeichnen kann. Hier brechen sehr langsam die alten Strukturen auf, die definiert wurden, als Industrieroboter vor 50 Jahren Einzug in die Fabriken vor allem in die Autoindustrie hielten. Andere Industrien wie etwa die Elektronikgerätefertigung sind heute Wachstums- und Innovationsmotoren.

Diese „anderen“ Automationsmärkte sind vor allem in China stark. Hier ist die Situation auch historisch eine andere. Zwar sind auch dort sehr viele „alte“ Roboter im Einsatz, aber gemessen an der Größe der Wirtschaftsraums wiederum relativ wenige, es gibt also riesiges Wachstum und weiteres Potential. Die Chinesen holen seit Jahren massiv auf, und dies vor allem indem sie auf neue Robotertypen und neue Technologien setzen. Der Begriff der kollaborativen Roboter fällt hier besonders häufig und ich denke China wird maßgeblich dazu beitragen, dass das, was wir heute als „Cobot“ bezeichnen, irgendwann als PC der Robotik in den Geschichtsbüchern stehen wird.

Würdet ihr sagen, die Robotik ist der Beginn eines neuen Zeitalters?

Robotik ist die konsequente Fortsetzung der Entwicklung, die mit Computern begann. Wir bezeichnen Roboter auch gerne als Computer mit Sensoren und Antrieben. So wie der PC und seine Nachkommen als Gehirnverstärker betrachtet werden können, sind Roboter als Menschenverstärker zu sehen und die technische und wirtschaftliche Entwicklung stehen immer noch am Anfang.

Dafür steht nicht zuletzt das Erstarken der kollaborativen Robotik. Zudem zeichnet sich ja nun doch schon seit Jahren eine deutliche Entwicklung hin zu mehr Automatisierung ab, die teilweise auch mit dem Fachkräftemangel begründet wird. Die Robotik dringt somit immer weiter und schneller in diverse Bereiche vor: klassische Industrieroboter, fahrerlose Transportsysteme, Cobots, robotische Systeme im Gesundheitswesen und der Pflege, Haushaltsroboter und vieles mehr. Roboter werden sozusagen immer alltäglicher.

Was zeichnet für Euch Motion Control aus?

Motion Control scheint eine der meist unterschätzten Ingenieursdisziplinen zu sein, nicht nur von Laien, auch von vielen Ingenieuren aus anderen Bereichen. Dabei ist sie innerhalb der Automation - und damit meine ich mehr als nur die Fertigungsautomation in Fabriken, sondern das zuvor beschriebene künftige Potential - der Bereich, in dem die virtuelle Welt der Software und die echte Welt der Mechanik so stark aufeinander treffen wie nirgends sonst.

Es ist wahre Ingenieurskunst, ein System aus mehreren Bewegungsachsen und beliebiger physikalischer Beschaffenheit, Trägheit und Last, mit vielschichtiger Software, Sensoren, Elektroniken, Motoren, Bremsen, Getrieben und mechanischen Strukturen in eine dynamisch geregelte Balance und geschmeidige Bewegung zu versetzen, wie man das z. B. besonders plakativ bei den Robotern von Boston Dynamics und einigen anderen sehen kann.

Motion Control bedeutet nicht wie viele meinen, dass sich einfach irgendetwas dreht oder bewegt: Elektromotoren gibt es schließlich seit hunderten von Jahren und elektrisch angetriebene Bewegungsabläufe sind in Fabriken fast ebenso lange Realität. Der moderne Begriff von Motion Control bezeichnet aber erst das, was durch digitale Antriebstechnik und leistungsfähige, einbettbare Prozessoren sowie komplexe Software möglich wird. Hier entstand im letzten Jahrzehnt aus der Halbleitertechnik heraus ein riesiges Potential, das noch selten voll gehoben wird – außer eben bei Synapticon 😊.

Was muss unbedingt noch entwickelt werden?

Wir haben heute eigentlich im Ansatz alles außer Beamen. Da sollte sich mal endlich jemand ran setzen. Ansonsten appelliere ich hiermit an die Science Fiction Autoren dieser Welt: Wir brauchen Nachschub an Ideen, es wurde etwas dünn bei euch in letzter Zeit.

Was würdet ihr gerne automatisieren?

Oh das ist eine lange Liste: Sie fängt freilich mit dem Automationsvakuum an, das Geschirr auf dem Weg sowohl in die Spülmaschine hinein als auch wieder heraus manövriert. Ebenso klafft für Müll und seine Logistik aus der Wohnung in die Tonne auf der Straße eine riesen Lücke. Aber auch die Strecke zwischen (Achtung, Kontextsprung) der digitalen Produktentwicklung und der zunehmend digitalen Fertigung ist heute noch massiv Mensch- und Papierlastig, was nicht so bleiben kann, wenn wir es irgendwann anstreben, eine Typ II und III Zivilisation zu werden. Auf dem Weg dorthin gibt es offensichtlich wirklich unendlich viele Automationsthemen.

Was bedeutet für Euch nachhaltiges Unternehmertum?

Der Begriff der Nachhaltigkeit hat viele Dimensionen - sozial, ökologisch und wirtschaftlich. Über die Verpflichtung zur ökologischen Nachhaltigkeit und über die soziale Verantwortung von Unternehmen müssen wir – finde ich – eigentlich nicht diskutieren, denn diese liegen inzwischen hoffentlich für alle auf der Hand. Besonders spannend finde ich also den Aspekt der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit. Ein großer Teil davon hat mit der Zukunftsfähigkeit zu tun. Hiermit haben wir uns in Deutschland und Europa in den letzten Jahren nicht ausreichend beschäftigt, haben daher in verschiedenen Schlüsseltechnologien und -industrien inzwischen das Nachsehen und setzen unsere Zukunft als wirtschaftlich führendes Land und Kontinent aufs Spiel.

Wer wir in Zukunft sein wollen

Welche Vision habt ihr für Synapticon?

Unsere Vision findet sich in der Motivation, mit der wir gestartet sind und die ich eingangs beschrieben habe wieder: Ein wesentlicher Ermöglicher für jemanden zu sein, der ein ambitioniertes Produkt entwickelt. Wir haben unseren MTP (Massive Transformative Purpose nach Peter Diamandis) einmal identifizert als „Enabling Robotic Progression“ - oder kommerzieller: „Synapticon Inside“: Das wäre zwar kein kreatives, aber dennoch sehr schönes Label, dass ich gerne auf allen Robotern und Automationsprodukten der Welt sehen will.

Welche Pläne habt ihr für die nächsten Monate?

Wir haben dieses Jahr eine Reihe von Meilensteinen auf der Roadmap: Unsere neue Produktreihe SOMANET Circulo für Cobots und Smarte Aktuatoren in die Serienproduktion zu überführen, die Entwicklung der nächsten Produktreihe SOMANET Integro für integrierte Servomotoren zu starten und unser Portfolio an zertifizierten Funktionen der funktionalen Sicherheit massiv auszubauen. Auf der nicht-technischen Seite steht für dieses Jahr der Ausbau unseres Teams an, vor allem in der Kundenbetreuung.

Wo steht Synapticon in 5 Jahren?

In 5 Jahren werden einige der weltweit relevantesten Roboter-, Automationsequipment- und Maschinen-Hersteller zumindest in einigen ihrer dann im Markt verfügbaren Produktreihen auf Synapticon-Technologie setzen. Unser Team hat dann weltweit gut über 100 Mitarbeiter und leistet weiterhin Pionierarbeit, wenn es um „Integrated Motion“ geht: die Verschmelzung von Antriebskomponenten in eine volldigitalisierte Zukunft der Motion Control.

Welches eine Detail muss man unbedingt über Synapticon wissen?

Bei Synapticon haben sich anfangs ein Maschinenbauer, ein Elektroniker und ein Softwareingenieur zusammengesetzt um den Status Quo in der Roboterentwicklung, schließlich vor allem der Antriebstechnik zu hinterfragen – und waren dann überrascht, wie selten es in jener Welt vorkommt, dass derart gemischte Teams sich offene und tiefe Gedanken über Technologie machen. Interdisziplinarität, Diversität und was wir als „technologische Furchtlosigkeit“ bezeichnen sind seither das, was Synapticon auszeichnet.

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